... nun, was ist Dichtung oder Wahrheit, was sind Gerüchte
oder Tatsachen über dieses wohl seltsamste Völkchen
der allerländischen Geographie?
Tatsache ist, daß die Bevölkerung des heutigen Herzogtums
Wolfengrund sich in Vielem von dem normalen Allerländer unterscheidet.
Die Wolfengrunder, die sich nur ungern Rabengauer nennen mochten,
bewahren aufgrund ihrer noch immer hochgehaltenen uralten Tradition
die Eigenarten ihres Ursprunges und damit ihrer ehemaligen Unabhängigkeit.
Der alte Stamm der Wolfen - daher der Name Wölfische Mark
- hatte von jeher eine relativ unabhängige Stellung im politischen
Gefüge des allerländischen Völkerbundes. Stets
achteten die Führer der Wolfen darauf, in kluger Abwägung
der Vor- und Nachteile ihre Bindung an Allerland so zu halten,
daß ihre Privilegien und Traditionen zumindest gewahrt werden
konnten.
Ist man den Wolfen nicht wohl gesonnen, so bezeichnet man sie
als eigenwillige, rückständige, hinterwäldlerische
Barbaren und Hitzköpfe. Das Bekenntnis der Wolfen zum Christentum
wird von vielen Allerländern als reiner Deckmantel zum Zwecken
der weiteren heimlichen Ausübung heidnischer Gebräuche
betrachtet. Und das nicht ganz zu unrecht, denn nirgendwo ist
die ländliche Bevölkerung so abergläubisch und
in zweifelhaften Traditionen befangen, wie in diesem rauhen Winkel
des Allerlandes. Darin stehen ihnen sogar die Schwarzenbacher
um etliches nach, behauptet der Volksmund.
So ungebändigt und rauh wie das Land der Wolfen ist auch
der Charakter der Bevölkerung über die Jahrhunderte
geblieben. Stolz auf ihr Anderssein verteidigen die meisten ihre
alten Werte und betrachten jedweden sogenannten Fortschritt mit
Argwohn. Besonders der kriegerische Aspekt des Lebens hat die
Wolfen geprägt, noch immer antwortet mancher eher mit der
Faust denn mit diplomatischen Worten. Daher sind sie Gegner, die
man mit Vorsicht behandelt, zumal sie ihr Handwerk wohl verstehen.
Hartnäckig hält sich immer noch das Gerücht, daß
in Rabengau die Kinder schon in Rüstung das Licht der Welt
erblicken. Das geflügelte Wort, die Wolfengrunder seien die
Thaskarer Allerlands", wirft ein Licht auf den Ruf dieser
Allerländer: einerseits belächelt als engstirnig und
etwas rückständig, andererseits durchaus geachtet und
gefürchtet. Immer wieder flackern Gerüchte auf, wenn
das so weitergeht mit Allerland, würde Rabengau sich abspalten,
doch darauf ist hoffentlich nicht viel zu geben.
Gerade heraus bis zur Ruppigkeit, so kennt man die Wolfengrunder.
Ihr Wort gilt und Winkelzüge werden als Schwäche betrachtet.
Geschliffenes Benehmen und höfisches Zeremoniell sind ihnen
notwendige Übel. Bemerkenswert ist das Zusammengehörigkeitsgefühl
dieser Menschen, die sich ohne Standesdünkel immer noch als
Stamm verstehen. Und wenn es sein muß, alle gemeinsam gegen
den Rest der Welt, wenn es der Herzog so will.